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                                                            Dachatlas 1975 / 1980: Geneigte Dächer:  Dachtragwerke - Dr.-Ing. Wolfgang Brennecke

Das Kehlbalkendach ist eine Abart des Sparrendachs, bei der jeder Sparren eine Zwischenunterstützung erhält. Diese ist aber nicht senkrecht nach unten, sondern horizontal geführt: die Sparren stützen sich außer im First noch über Kehlbalken gegeneinander ab [56]. Man kann sich auch dieses Tragwerk als mehrere, sich überlagernde Systeme vorstellen:

1. zwei schräge, hauptsächlich auf Biegung beanspruchte Zweifeldträger [57],

2. die gleiche Dreigelenkkonstruktion wie beim Sparrendach, die wie dort von den oberen Auflagern Last erhält und in Form von Längskräften zu den Fußpunkten ableitet [58],

3. ein Sprengwerk, das aus den unteren Teilen der Sparren und dem Kehlbalken besteht - es wird durch die Mittelauflager der Zweifeldträger belastet und bringt diese Last ausschließlich durch Längskräfte noch unten [59].

Das dritte System vermag allerdings nur symmetrische Belastung aufzunehmen - also genau gleiche Kräfte aus den Mittelauflagern beider Sparren. Unsymmetrische Lasten (Wind oder einseitiger Schnee) lassen es seitlich ausweichen [60], sie sind anders aufzunehmen:

Stellen wir uns zunächst vor, es sei kein Kehlbalken vorhanden. Bei unsymmetrischer Last würden die Sperren einer Seite biegebeanspruchte Einfeldträger darstellen [61]. Tatsächlich sind die Sparren aber gekoppelt - die belasteten können sich nicht durchbiegen, ohne die anderen mit zu verformen und ihnen über die Kehlbalken einen Teil ihrer Last abzugeben. Das durch die Kehlbalkenkraft hervorgerufene Momentenbild eines Einfeldträgers unter Einzellast ergibt sich spiegelbildlich für beide Sparren - die Belastung des einen gleicht der Entlastung des anderen [62]. Die Überlagerung von [61] und [62] ergibt eine Beanspruchung, die günstiger als beim Einfeldträger ist, aber wesentlich höher als bei einem Durchlaufträger mit völlig unnachgiebigem Zwischenauflager [63].

Bemerkenswert ist, dass das Stützmoment aus unsymmetrischer Last sich etwas verringert, wenn der Kehlbalken nicht in halber Dachhöhe angebracht wird. Hierdurch wird das gleichzeitige Anwachsen des Stützmoments aus symmetrischer Belastung ungefähr ausgeglichen - wenn der Kehlbalken zwischen 0,3 und 0,7 der Dachhöhe liegt, nimmt max M höchstens 2% zu [64]. Es ist daher ungünstig, den Kehlbalken in halber Höhe anzuordnen - wo die Lage nicht durch Ausbauabsichten bestimmt ist, sollte man ihn in etwa 3/4 der Dachhöhe legen [65]. Der Vorteil der kürzeren Kehlbalken überwiegt die u.U. nötige Mehrstärke der Sparren und führt zu niedrigeren Gesamtkosten [66].

Für Längsaussteifung, Mindestneigung und das Problem der Dachöffnungen gilt das beim Sparrendach Gesagte.

Das Kehlbalkendach ist angebracht, wo Pfosten unerwünscht sind oder keine Unterstützung fänden und außerdem die Gebäudebreite groß oder die Anordnung von Deckenträgern nötig ist.

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